Bericht unseres Partners NCPSB aus den Niederlanden

Intensivstationen droht Burnout-Krise

Intensivstationen droht Burnout-Krise. Auf den Intensivstationen drohen 81 Prozent der Mitarbeiter arbeitsunfähig zu werden. Für die niederländischen Intensivstationen zeichnet sich eine Krise an. „Innerhalb von 4 Monaten drohen 81 Prozent aller Beschäftigten der Intensivstationen der Arbeitsausfall.” So das Fazit der neusten Studie des Nationaal Centrum Preventie Stress en Burn-out (NCPSB) aus Den Haag. Diese unabhängige Organisation untersuchte die Folgen der Corona-Krise auf die psychische Belastbarkeit von Beschäftigten auf Intensivstationen.

Diese Zahlen schockieren den Leiter des NCPSB Theo Immers. „Ich denke, die Niederlande sollten ernsthaft einen allgemeinen Lockdown in Erwägung ziehen. Da alle Maßnahmen der Regierung darauf abzielen, die Kapazitäten der Intensivstation aller Krankenhäusern zu verwalten, wird der Verlust genau dieser Mitarbeiter eine direkte Auswirkung auf die Politik der Regierung und die Gesellschaft als Ganzes haben”.

Verborgene Burnouts
Das NCPSB untersuchte Ärzte und Krankenschwestern, die auf Intensivstationen niederländischer Krankenhäuser arbeiten. Sie verwendeten eine Forschungsmethodik, die nicht nur Burnout ermittelt, sondern auch die psychische Belastbarkeit der Studienteilnehmer untersucht.

„Diese Daten haben einen Vorhersagewert. Damit können sogenannte ‘verborgene Burnouts’ aufgedeckt werden”, so Immers. Laut der Studie des NCPSB befindet sich die Mehrheit der Mitarbeiter in der Gefahrenzone. Dies bedeutet, dass die betreffenden Personen ständig auf ihre Reserven zurückgreifen, um weiterarbeiten zu können. Ruhe hilft hier auch nicht mehr, sagt Immers. „Während der Ruhezeiten findet in dieser Phase des Verlaufs keine Erholung mehr statt. Darüber hinaus, nimmt die Fähigkeit den Stress zu bewältigen, mit der Zeit zunehmend ab. Es handelt sich um einen schleichenden Prozess, der ohne adäquates Eingreifen unwiderruflich zu einem Zusammenbruch führt. Dann spricht man von einem Burnout. Die Kennzahlen der Vergangenheit zeigen, dass Beschäftigte des medizinischen Sektors dann in der Regel länger als ein Jahr außer Dienst sind.”

Überstunden
Für die Studie sprach Immers mit einer großen Anzahl von Mitarbeiter der Intensivstationen. Diese sagten, dass sie bei einer zweiten Corona-Welle keine zusätzlichen Überstunden mehr leisten wollen. Diese Aussagen sind bemerkenswert, da innerhalb der Branche normalerweise eine hohe Arbeitsethik herrscht. „Es ist also nicht diese Motivation, die schwindet. Es ist die Anpassungsfähigkeit, die aktuell unter enormen Druck steht, so die Studienergebnisse. Die Mitarbeiter wollen, können aber nicht. Die Erfahrungen der ersten Corona-Welle haben tiefe Spuren innerhalb des medizinischen Sektors hinterlassen. In Gesprächen mit Stress-Experten sagen viele Mitarbeiter, dass sie eine andere Arbeit ausführen wollen.

Missverständnis
Aufgrund einer Studie der Organisation TNO (Netherlands Organisation for Applied Scientific Research), die am vergangenen Freitag (18.09.2020) veröffentlicht, erhielt Immers viele Reaktionen aus dem Pflegesektor. Diese Studie besagt, dass die Zahl der Burnout-Beschwerden bei den niederländischen Arbeitnehmern während der Corona-Krise gleich geblieben ist. „Ich hörte hauptsächlich Erstaunen und Unglauben in den Reaktionen des Pflegesektors auf die TNO-Befunde. Die Menschen, mit denen ich spreche, verstehen nicht, wie eine Studie so daneben liegen kann. Die Reaktionen aus dem Pflegesektor widersprechen vorbehaltlos den Ergebnissen der TNO-Studie. „Das ist unmöglich”, sagen sie.” Zu den vielen Reaktionen, die am Freitag aufgenommen wurden, gehören unter anderem der Personalleiter eines Krankenhauses im Ballungsraum Randstad, ein Spezialist des AMC in Amsterdam, verschiedene Psychotherapeuten sowie Stress- und Burnout-Berater, welche das Pflegepersonal während der ersten Corona-Welle unterstützte.“ Schließlich lässt sich der TNO-Bericht nicht mit den Ergebnissen unserer eigenen jüngsten Forschung und denen anderer in Einklang bringen.” In diesem Jahr hat Immers selbst verschiedene Gruppen von arbeitenden Niederländern unter die Lupe genommen. Dies tat im Juli Maurice de Hond im Auftrag der CNV-Gewerkschaft auch. „All diese Studien zeigen ein ganz anderes Bild.”

Fachwissen
Was dem NCPSB-Leiter besonders auffällt, ist, dass die TNO die „verborgende Burnouts” völlig übersieht. „Und dies ist enorm wichtig, denn 80 Prozent der Patienten sehen ihren eigenen Burnout nicht kommen. Dieses Phänomen ist in der medizinischen Wissenschaft bekannt und gut dokumentiert. Als Forscher braucht man eine ganze Menge Fachwissen über Stress und Burnout, um die verborgenen Burnouts aufzudecken. Andernfalls stellt man nicht die richtigen Fragen.”

Bouwinus Sikkes, Nationaal Centrum Preventie Stress en Burn-out, 23.09.2020